Blogbeitrag von Theodoros Konstantakopoulos, 28. Juni 2017
In Situationen der Unsicherheit oder Ohnmacht brauchen wir eine Kraft, die uns ›Halt‹ bietet und uns Mut verleiht. Auch wenn die Quelle dieser Kraft in uns liegt, so lässt sie sich doch am besten in einer Gemeinschaft gewinnen. Gemeint ist das Vertrauen.
Um überhaupt von Vertrauen sprechen zu können, muss eine Situation vorliegen, in der wir auch etwas verlieren können oder das Gefühl hätten wir könnten etwas verlieren. Wenn wir nichts zu verlieren haben, so müssen und werden wir auch kein Vertrauen entwickeln. Situationen, die uns Vertrauen abverlangen, können solche sein, in die wir uns mehr oder weniger freiwillig begeben (Bergbesteigung, Beziehung, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, etc.) oder solche, in die wir mehr oder weniger gezwungen wurden oder gezwungen werden (Arbeitsverhältnis, Operationen, Verzehr von industriellen Nahrungsmitteln etc.).
Vertrauen kann zwischen verschiedenen Menschen oder in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten entstehen. Die Fähigkeit Vertrauen zu können, lässt sich nur durch Erfahrung und stetig gelingende Interaktion gewinnen, mit anderen Worten, Vertrauen ist erst dann gegeben, wenn wir uns sicher fühlen. Ein Kind schenkt seinen Eltern sein Vertrauen, wenn diese ihm auch das Gefühl von Sicherheit bieten, das es benötigt. Freunde gewinnen das gegenseitige Vertrauen, wenn sie das gegenseitige Gefühl von Gewissheit entwickeln, sich auf den jeweils anderen verlassen zu können – sei es ein anvertrautes Geheimnis oder eine wichtige Verabredung. Je nachdem worin wir vertrauen haben und worin nicht, bieten oder verschließen sich uns bestimmte Entscheidungs-, Entwicklungs- oder Handlungsmöglichkeiten. Wenn wir etwas nicht wissen können und trotzdem mit einem Gefühl von Sicherheit handeln können, so als ob wir es wüssten, dann kann man sagen, dass wir auf etwas vertrauen.
Einiges setzt also bereits ein gewisses Maß an Vertrauen voraus, um überhaupt erst entstehen zu können, wie beispielsweise eine Freundschaft oder eine partnerschaftliche Beziehung zwischen zwei Menschen. Damit ein Mensch einen anderen sein Vertrauen schenken kann, ist also zunächst die Entwicklung eines Grundvertrauens nötig. Um dieses Grundvertrauen – das man auch einen Vertrauensvorschuss auf das künftig zu Leistende nennen könnte – entwickeln zu können, müssen wir uns auf den jeweils anderen einlassen wollen und einlassen können. Wenn sich der jeweils andere als zuverlässig oder finanzmetaphorisch gesprochen als rückzahlungsfähig und rückzahlungswillig erweist und keinen Vorschussbetrug begeht, dann werden wir das Risiko der Vorleistung in Kauf nehmen und diesem nach und nach auch unser volles Vertrauen schenken können. Vertrauen ist also immer auch ein Trauen, ein Risiko, setzt also, ganz im Sinne der etymologischen Bedeutung, Stärke und Festigkeit voraus. Dabei müssen wir bedenken, dass Kinder diese Stärke und Festigkeit jedoch erst einmal mit unserer Hilfe entwickeln müssen, um auf dem Nährboden der Zwischenmenschlichkeit nicht nur wachsen, sondern mit anderen, in einem Umfeld des Vertrauens, auch verwachsen zu können.
Vertrauen ist einer der wichtigsten Nährstoffe für das Geflecht aller sozialen Beziehungen. Es gibt keine Freundschaft und keine Liebe ohne Vertrauen. Ohne Vertrauen wächst über das Misstrauen vor allem eines, die Distanz und mit ihr die Haltung des Abstandes.
Ein Vertrauen, das verletzt wird, ist wie eine verletzte Epidermis. Je nachdem wie tief die vom Vertrauensbruch verursachten Wunden greifen, bleiben manchmal Narben zurück. Narben haben die Angewohnheit an das Trauma zu erinnern, dem sie ihre Entstehung verdanken. Und Menschen, die bereits nach einer Verletzung Narben davongetragen haben, haben es schwer sich erneut auf ähnliche Situationen einzulassen, die zu einer erneuten Verletzung führen können. Um das soziale und eigene Leben auch nach Verletzungen bewältigen zu können, sind Menschen gefragt, die bereit und fähig sind den Traumatisierten die Kraft zu geben, die nötig ist, um zu neuem Vertrauen finden und damit auch neue Lebenswege beschreiten zu können. Einem Vertrauen, das aus dem Labyrinth der Angst in eine Umgebung führt, die ihnen Halt und Orientierung bietet. Denn nicht immer ist es das Verlorene, dass wir wiederfinden müssen, um auch unser Glück zu finden.