Blogbeitrag von Klaus Münstermann, 20. März 2015
Gehorsame Kinder, die „funktionieren“, sind das Wunschbilder der Vergangenheit? Wie groß ist die stille Sehnsucht, dass doch einfach mal „Ruhe im Karton“ sein soll? Wie reagieren wir Eltern, wenn wir „bis aufs Blut gereizt“ werden? Wo verläuft die Grenze zu erniedrigenden Strafen?
Pflegeeltern können in Konflikten mit ihren Kindern wieder mit ihren eigenen, durch ihre Eltern erfahrenen entwürdigenden Strafpraktiken in Berührung kommen. Wenn das Pflegeelternteil selbst durch eine intensive Familienberatung nicht erreichbar ist und sie bzw. er die Gefühlskälte der eigenen Eltern reproduziert – wie kann so etwas verhindert werden?
Ich habe den Eindruck, dass wir vor der Vermittlung eines Kindes die „dunklen Seiten der Erziehung“ (Mathias Schwabe) zu wenig in den Blick nehmen. Und diese blinden Flecken zeigen sich bereits bei ganz einfachen Erziehungskonflikten: Ist Erziehung ohne Strafe möglich? Nur wenige Erwachsene (selbst ausgebildete und berufserfahrene PädagogInnen) werden diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten. „Wie soll ich sonst mein Kind steuern, wenn nicht durch Sanktionen, sofern sie notwendig sind?“ – werden viele fragen? Das Verhältnis von Macht und Ohnmacht kommt ins Spiel. Aber auch der Stolz und der Druck, erfolgreich zu sein, werden in solchen Situationen deutlich.
Eine intensive Auseinandersetzung über die Ausgangsfrage jeder Erziehung zum Verhältnis zwischen dem auf Fürsorge angewiesenen Kind und den Eltern könnte deutlicher werden lassen, welche Voraussetzungen zukünftige Pflegeeltern erfüllen müssen. Das Leitziel „Erziehung ohne Strafe“ muss in der Vorbereitung wie der späteren Beratung immer wieder konkret reflektiert werden. Wahrscheinlich ist die „Wenn – dann – Pädagogik“ („Wenn Du jetzt nicht Dein Zimmer aufräumst, darfst Du heute Abend nicht ins Internet!“) sehr resistent gegenüber Reformbemühungen, aber wir dürfen unsere pädagogischen Ansprüche nicht aufgeben. Ich vertrete den Standpunkt, dass Erziehung auf Strafe verzichten kann.
BewerberInnen für die Vermittlung eines Pflegekindes müssen die Belastungen und Traumata ihrer eigenen Erziehung kennen, interessiert sein, sie zu bearbeiten und lernen, diese Erfahrung als Ressource zu nutzen. Die Praxis zeigt, dass dies möglich ist.