Blogbeitrag von Theodoros Konstantakopoulos, 26. Januar 2017
Gefühle sind ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens. Physiologisch betrachtet handelt es sich um Produkte der kognitiven Verarbeitung von sinnlichen Reizen, die gewollt oder ungewollt auf unser Denken und Handeln einwirken. Gefühle haben damit einerseits ihren Ursprung in Erfahrungen, die wir gemacht haben, auf der anderen Seite vervollständigen oder behindern, intensivieren oder verhindern sie durch die ihnen eigene Stimmung aber auch Erfahrungen, die wir ohne sie nicht oder nicht in der Form gemacht hätten. Ebenso hätten wir ohne unseren persönlichen und/oder allgemeinen Erfahrungskontext bestimmte Gefühlslagen in uns nie erfahren. So lässt sich beispielsweise ohne die Erfahrung des Vater- oder Mutter-Seins kaum das originäre Gefühl des mütterlichen und väterlichen Stolzes auf das eigene Kind und seine Entwicklungen und Fortschritte nachvollziehen. Auf der anderen Seite können Menschen, die einem Gefühl der Trauer unterliegen, viele Gelegenheiten ihrer Umwelt nicht wahrnehmen.
Die Verbindung aus Gefühlen und Erfahrungen kann unseren Verstehenshorizont also maßgeblich erweitern oder verengen. Wut und Ärger lassen uns übersehen, was Freude und Glück sehen lassen und andersherum. Eifersucht und Angst werfen ein anderes Licht auf die Liebe als Zuversicht und Vertrauen, Ironie und Komik und ein anderes als Ernst und Besonnenheit.
Im Wechselspiel zwischen den vielen Gefühlen und Erfahrungen sind mehr als zweihundert verschiedene Gefühlszustände möglich. Die damit einhergehende Vielfalt von Zusammenspielen zwischen den einzelnen Gefühlen und den Erfahrungen drückt sich in den zahlreichen Facetten der menschlichen und zwischenmenschlichen Lebensentwürfe und in den ebenso zahlreichen Formen des Zusammenlebens aus.
Auch in der mündlichen Sprache erleben wir es fast täglich, wie sich mittels ihrer zahlreichen Facetten, Spiel- und Begleitformen Gefühle und Gefühlslagen für jeden Anlass entsprechend gestalten und den sprachlichen Inhalten somit anhängen und mit-teilen lassen und somit letztlich stets mehr sind als nur eine bloße Weitergabe oder ein Austausch von Informationen. Mittels unserer Stimmlage, Bild- und Körpersprache kann jedem Wort eine spezifische Gefühlsnuance verliehen werden, die den kommunikativen Gehalten unserer Aussagen einen besonderen Aus- und Nachdruck verleihen können. Diese Begleitformen der Sprache sind oftmals wirksamer als der lexikalische Inhalt, den sie transportieren. Die Sprache der Politiker ist ein gutes Beispiel für große Wirkung mit wenig Inhalt. Wir kennen dieses Phänomen aber auch aus der Musik. Eine schöne Melodie lässt den manchmal misslungenen Text überhören und andersherum lässt ein schöner Text eine eher missglückte instrumentale Begleitung ertragbar werden. Verkürzt gesagt: Der Ton macht die Musik. Und das gilt ebenso für zwischenmenschliche Interaktionen.
Als Ausgangsort der sozialen und emotionalen Prägung ist die Familie die privilegierte Gemeinschafts- und Lebensform, in der eine Verbindung zwischen diesen beiden Größen ihre Ein- und Abstimmung erfährt oder erfahren sollte. Innerhalb der Familie und als Familie lernen wir die grundlegende Form des Miteinanders kennen, in der stets Gefühle in Erfahrungen und Erfahrungen in Gefühle eingeschrieben werden.
Wer es schafft seinem Kind oder auch seinen Mitmenschen seine sprachlichen und nicht-sprachlichen Handlungen Mit-Gefühl zu vermitteln, bietet mehr als pädagogische und soziale Anhaltspunkte, er bietet zugleich menschliche und damit auch zwischen-menschliche Berührungspunkte. Für die Erziehung heißt das: Jede Pädagogik ohne Mit-Gefühl ist blind und Gefühle ohne pädagogischen Inhalt sind leer.